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Großbritanniens Abschied von der Pressefreiheit – Kommentar

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Guardian UK NSA

Edward Snowden hat mit seinen Enthüllungen viel mehr losgetreten, als „nur“ die Offenlegung einer globalen Totalüberwachung. Gerade auch die Reaktionen der Regierungen, seien sie direkt oder indirekt von den veröffentlichten Informationen betroffen, verraten uns einiges über die Denkweise unserer gewählten Anführer.

Während unsere Regierung einfach versucht das Thema für beendet zu erklären, beschwichtigt, sich für nicht zuständig erklärt und die Verantwortung der Opposition zuschieben will (was zumindest teilweise auch korrekt ist), hat die Regierung Großbritanniens beschlossen, aktiv zu werden. Natürlich ist Großbritannien hier in einer anderen Lage als Deutschland: Das Tempora-Programm des Geheimdienstes GCHQ wurde von Snowden offen gelegt, während man in Deutschland noch über den ganzen Umfang der Beteiligung unserer Geheimdienste rätselt.

Nun hätte die britische Regierung anfangen können, ihre Bevölkerung und Partner über das Ausmaß der Überwachung aufzuklären, sich Gedanken darüber zu machen, ob das ganze System denn überhaupt noch verhältnismäßig ist. Das wäre eine Möglichkeit gewesen. Leider hat man sich in London für einen anderen Weg entschieden. Zuerst wurde David Miranda, der Lebensgefährte des Guardian-Reporters Glenn Greenwald am Londoner Flughafen 9 Stunden lang festgehalten. Grundlage dafür waren Anti-Terror-Gesetze, die eine zeitweilige Festsetzung von Verdächtigen ohne richterliche Anordnung und ohne Rechtsbeistand möglich machen. Wer hier eine reine Schikane vermutet, die eigentlich gegen Greenwald und dessen Zusammenarbeit mit Edward Snowden gerichtet ist, der ist damit ganz sicher nicht allein.

Und nun berichtet The Guardian in eigener Sache, dass die britische Regierung massiven Druck auf die Zeitung ausgeübt habe mit dem Ziel, das Snowden-Material entweder an die Regierung zurück zu geben oder zu zerstören. Bereits vor gut zwei Monaten sei ein hoher Beamter der Regierung mit dieser Forderung an den Chefredakteur heran getreten. Diese Forderung wurde bei weiteren Treffen und Telefonaten wiederholt, laut dem Chefredakteur Alan Rusbridger hiess es unter anderem „Ihr hattet Euren Spaß: Jetzt wollen wir das Zeug zurückhaben“ und „Ihr hattet Eure Debatte. Es gibt keinen Grund, noch mehr zu schreiben“. Es wurde mit juristischen Schritten gedroht und am Ende überwachten zwei Agenten des Geheimdienstes GCHQ die Zerstörung der Festplatten mit dem Material in den Räumen der Redaktion. Mit Recht bezeichnet Rusbridger das als einen der „bizarrsten Augenblicke“ in der Guardian-Geschichte.

Das muss man sich einfach mal vorstellen: Die Regierung eines Landes schreibt der Presse vor, worüber geschrieben werden darf und welche Quellen ausgewertet werden dürfen. Das erinnert an vieles, aber nicht an einen demokratischen Staat in dem Pressefreiheit gilt. Normalerweise bezeichnet man so etwas als Zensur und nach den „westlichen Standards“ gibt es keine Zensur in demokratischen Staaten. Aber bis vor einigen Jahren stand auch eine Totalüberwachung der eigenen Bevölkerung auf der Liste der Dinge, die ein demokratischer Staat nicht tut.

Die Regierung eines Landes schreibt der Presse vor, worüber geschrieben werden darf und welche Quellen ausgewertet werden dürfen

Natürlich können wir davon ausgehen, dass mindestens noch Greenwald weitere Kopien des Materials hat und nach allem was Edward Snowden gesagt hat, ist Greenwald nicht der Einzige. Und in Anbetracht der Schikane gegen seinen Lebensgefährten dürfte er schon eifrig dabei sein, das Material nach den Informationen zu durchsuchen vor deren Veröffentlichung die britische Regierung die meiste Angst hat. Damit hat die britische Regierung zwar nur eine Variante des Streisand-Effekts ausgelöst statt weitere Veröffentlichungen zu verhindern, aber alleine der Versuch durch Druck auf die Redaktion eine weitere Recherche, Berichterstattung und Information der Öffentlichkeit zu verhindern ist ein Schritt, der zumindest mal Anlass zur Sorge gibt. Eine Demokratie kann ohne freie und unabhängige Presse (diesen Begriff verwende ich hier sehr umfassend, das schließt natürlich z.B. Blogs ausdrücklich mit ein) nicht funktionieren.


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